Die Großbäuerin Lisbeth ist die Erbin des Bethches-Hofes. Durch den Tod ihrer Brüder, die beide nicht aus dem Krieg zurückgekehrt sind, wurde sie dazu gemacht. Das war einfach so. Niemand fragte „ob ihr das recht sei, ob sie vielleicht andere Pläne habe.“ (Zitat). Also hat sie dieses Erbe angetreten und der Erhalt des Hofes ist seitdem ihr ganzer Lebensinhalt. Darüber hinaus gilt es das hohe Ansehen des Bethches-Hofes zu erhalten.

Dann kommt Marlies, die zukünftige Ehefrau ihres Sohnes Konrad. Marlies hat bisher in der Stadt gelebt, hat dort gearbeitet und ganz eigene Vorstellungen von einem Leben auf dem Bauernhof. Vor allem von einem Zusammenleben mit der Schwiegermutter und Altbäuerin Lisbeth. „Bauernhöfe kannte sie also. Was Bäuerin sein bedeutete, wusste sie nicht und dachte auch nicht daran, dass sie eine werden würde.“ (Zitat)

Und letztendlich ist da noch Joanna, die Tochter und Enkelin, die ganz andere Pläne hat.

Drei Frauen, drei Generationen, drei unterschiedliche Lebenseinstellungen. Da entstehen Konflikte, die allerdings auf dem Bethches-Hof nicht offen ausgesprochen, diskutiert werden. Es finden stille Grabenkämpfe statt um die ‚richtige‘ Art und Weise die Fenster zu putzen oder wie man Kinder erziehen sollte.

 

Alles jedoch nur vordergründig. Denn hauptsächlich will der Roman „Wildtriebe“ über tradierte Lebensmodelle und die Frauenrolle in der sich wandelnden Gesellschaft erzählen. Das gelingt der Autorin Ute Mank sehr überzeugend, indem sie die Geschehnisse auf dem Hof jeweils aus dem Blickwinkel der jeweiligen Protagonistin beschreibt. Durch diese Erzählperspektive findet der Leser einen Zugang zu deren unterschiedlichen Positionen und kann für sich selbst Stellung beziehen. Für die eigenwilligen Charaktere setzt Mank einen eigenwilligen Schreibstil ein. Mit teilweise sehr kurzen Sätzen, oftmals nicht zu Ende gesprochen, beschreibt sie die Wortlosigkeit zwischen Lisbeth und Marlies, die beide um Selbstbestimmung und Anerkennung kämpfen – aber nicht darüber sprechen können. „Zum Streiten brauchte man Kraft. Aber die hatte sie nicht. Nicht so spät am Abend. Und eigentlich überhaupt nicht.“ (Zitat)

Für mich war „Wildtriebe“ fast ein Déjà-vu, da ich selbst auf dem Land in einem kleinen Dorf aufgewachsen bin. Ute Mank, selbst in ein Dorf „eingeheiratet“ weiß wovon sie spricht und  beschreibt sehr realistisch das frühere Dorfleben und die damit in Verbindung stehenden Verhaltensweisen am Beispiel der Altbäuerin Lisbeth. Aber mit Marlies und Joanna zeigt sie den gesellschaftlichen Wandel auf, der sich im 21. Jahrhundert auch auf dem Bethches Hof nicht mehr aufhalten lässt. Ein leises Buch, inhaltlich aber mit viel Lautstärke.

„Wildtriebe“ Debütroman von Ute Mank. Erschienen im dtv Verlag. 283 Seiten.

Klappentext

Lisbeth ist die Hüterin der Tradition auf ihrem Hof und hält eisern am Althergebrachten fest. Als ihr Sohn eine Frau ins Haus bringt, noch dazu eine, die keine Bäuerin ist, ist Lisbeth fest entschlossen, ihre Schwiegertocher Marlies zu einer zu machen. Doch Marlies will mehr. Sie kann dem Leben auf dem Hof zwar viele gute Seiten abgewinnen, vermisst aber ihre Arbeit im Kaufhaus, will sich nicht unterordnen, sondern selbst gestalten. Sie will Traktor fahren, einen Jagdschein machen und vor allem erst dann ein Kind bekommen, wenn sie es für richtig hält.

Lisbeth und Marlies kämpfen um Selbstverwirklichung, Tradition, Freiheit und schließlich um die nächste Generation: Marlies‘ Tochter Joanna. Doch Joanna wählt einen ganz eigenen Weg.

 

Die Autorin

Ute Mank, geboren in Marburg, hat vor über 30 Jahren in ein Dorf in Hessen eingeheiratet, wo sie bis heute „die aus der Stadt“ ist. Sie ist Mutter von zwei erwachsenen Töchtern, lernte einen Gesundheitsberuf und studierte später Erziehungswissenschaften. Ute Mank hat als Reporterin für eine Lokalzeitung, Dozentin in der Erwachsenenbildung sowie als Betreuerin behinderter Jugendlicher gearbeitet und nebenbei promoviert. „Wildtriebe“ ist ihr erster Roman.