„Bevor der Tag verschwindet, gehe ich hinaus und überquere das Feld zwischen Haus und Wald. Tief ziehe ich die Luft ein, um dann die Stadt, aus der ich komme, auszuatmen.“ (Zitat aus „Heimat“)
Für die Autorin Katharina Schenk ist es wichtig einen Rückzugsort zu haben. Sie lebt in der Stadt, aber immer wenn die städtische Enge zu bedrückend wird, dann zieht sie sich aufs Land zurück. Genauso wie die namenlose Erzählerin in dem ersten Teil ihres Romans SALAT, der den Titel „Heimat“ trägt. Die genannte Erzählerin wechselt jährlich zum Ende der Winterzeit von der geheizten Wohnung in der Stadt in ihr altes, windschiefes Haus mit den drei Apfelbäumen. Dort zieht es zwar durch alle Ritzen und Spalten, aber in dem Moment, wenn das Feuer im Ofen die Kälte verscheucht, ist „alles in Ordnung, die ganze Welt.“
Ganz anders bei dem Milchbauern Josef. Seine Frau hat ihn verlassen und seitdem muss er den Hof mit den fünfzehn Kühen allein bewirtschaften. Eines Tages wird er krank und kann seine Kühe nicht mehr melken. Zum Glück bemerkt das die Schülerin Ira, die sich in ihrem Leben nichts sehnlicher wünscht als Bäuerin auf einem Bauernhof zu sein – und daher jede freie Minute auf dem Hof von Josef verbringt. Tatkräftig holt sie Unterstützung bei Roland, dem Bauern vom Sommerhof – und bei Brenda. Brenda, die nur ein kleines Zimmer hat, das einst den Knechten vorbehalten war und deren Arme voller Narben sind, die aber in dem Moment, in dem sie gebraucht wird, zu der Überzeugung gelangt, dass sie „kein verwunschenes Tier in einem Menschenkörper“ ist.
Und so wie sich Brenda auf einen neuen Weg begibt, so hilft Lidia in der zweiten Erzählung mit dem Titel SALAT jungen Heimkindern einen neuen Weg zu finden. Dafür fährt sie fast täglich von dem Dorf, in das sie vor einem halben Jahr gezogen ist, in die Stadt. Das macht sie ohne Bedauern, denn sie genießt das gewählte Landleben in ihrem kleinen Haus neben dem angeschlossenen Bauernhof von Aaron.
Aaron ist Salatbauer und bewirtschaftet nach dem frühen Tod seines Vaters allein mit der Mutter den Hof. Eigentlich wollte er Julia heiraten – aber es dann doch nicht gewollt. „Nein, er wollte Julia nicht so, wie sie ihn wollte. Was für einen Salat er im Kopf hat! Und im Herzen.“ In Gedanken macht er sich ständig Vorwürfe, möchte manchmal aus seinem Leben ausbrechen, denn sein Arbeitstag bringt ihn oft an den Rand der Erschöpfung – bis er sich eines Tages auf die Zuneigung von Lidia einlässt.
Warum leben Menschen auf dem Land?
Ist es ein besserer Ort, um Mensch, Tier und Natur in Einklang miteinander zu bringen? Und reicht die geschlossenen Gesellschaft eines Dorfes wirklich aus, um autark zu leben und sich selbst zu genügen? Oder auf den Roman bezogen: Gibt es für Aaron, der sich nichts sehnlicher wünscht als zwischen den Welten ‚Stadt‘ und ‚Land‘ zu wechseln, und für Lidia, die sich erlöst fühlt sobald sie der Stadt den Rücken gekehrt hat, eine gemeinsame Zukunft? Wird Brenda ihre krankhaften Selbstzweifel durch ein Leben mit dem Bauern Roland überwinden?
Katharina Schenk versucht in ihrem Debütroman SALAT diesen Fragen nachzugehen und sogar ansatzweise Antworten darauf zu finden. Das macht sie aus meiner Sicht beeindruckend gut und mit sehr viel Feingefühl. Dabei flicht sie in ihren Erzählungen ihre eigene Geschichte in einer sehr sanften und bildhaften Sprache mit ein. Hinzu kommen wunderbare authentische Naturbeschreibungen, die nie ins gefühlsselige abdriften.
Ich muss gestehen, dass ich vom Buchcover her eher nicht die anspruchsvolle Thematik, die hinter dem Titel steckt, erwartet hätte. Das war eine echte Entdeckung. Da ich selber zeitweise in der Stadt und auf dem Land lebe, habe ich das Buch mit großem Interesse gelesen und kann es wirklich nur jedem empfehlen – egal ob Stadt- oder Landmensch.
Klappentext: Die Autorin Katharina Schenk blickt aus der Stadt aufs Land. Ihre Heldinnen sind Grenzgängerinnen auf der Suche nach einem anderen Leben. Die Natur spielt dabei eine wichtige Rolle, ebenso die Liebe, die Freiheit und die Frage, wie man beides zusammenbringt.
Klappentext: Sie liebt das Land, das spürt er. Wie weit kann sie wohl verstehen, was es bedeutet, immer am gleichen Ort zu sein? Das kann niemand verstehen, der kommt und geht. Städter lieben das Land ahnungslos und naiv, unbelastet. Es muss verrückt sein, zwischen zwei Welten hin und her zu wechseln, herrlich frei! Aber gefährlich – wo ist man dann richtig? Er möchte die Welt sehen, nichts sehnlicher wünscht er sich. Und doch hält der Wunsch sich still, ganz tief drinnen, er brennt, aber Aaron bewacht ihn. So sehr wie er weg möchte, genau so sehr will er immer nur hier sein. Hier, auf seiner Erde, sie hegen, pflegen, fruchtbar machen. Er kann doch wirklich nicht fort – nein, das ist so klar. Er bleibt da. Wenn sie nur wiederkommt, Lidia.
Die Autorin
Katharina Schenk, im Grenzgebiet bei Schaffhausen aufgewachsen, lebt in Bern. Als langjährige Sozialarbeiterin hat sie ein feines Gespühr für Versehrte entwickelt, das ihre Texte so unverkennbar macht wie ihre sinnliche Sprache. SALAT ist ihr Debütroman. Erschienen im „Sage und Schreibe-Verlag“. 141 Seiten.