Gerswalde liegt in der Uckermark und ist sowas wie Berlins 13. Bezirk. Wann immer es geht, geht es für den stadtflüchtigen Berliner über die A11 ins nordöstliche Brandenburg. Weg vom Arbeitsstress in der Kanzlei, von der morgendliche Enge in der U-Bahn, den überbezahlten Wohnungen. Ab ins „Hipsterdorf der Uckermark“ (so titelte einst ‚Der Tagesspiegel‘). Genau dorthin verschlägt es die Filmregisseurin und Drehbuchautorin Lola Randl und genau darum dreht es sich in ihrem Roman „Der Große Garten“.

(Klappentext) „Eines Tages beschließt die Filmemacherin Lola Randl, dem Berliner Stadtleben den Rücken zu kehren. Im Herzen der Uckermark beschäftigt sie sich jetzt mit Saatzeiten und Bodenqualitäten, Schädlingen und Unkraut. Doch so richtig will das mit dem einfachen Leben nicht gelingen.“

In „Der Große Garten“ beschreibt Lola Randl tagebuchartig ihren Rückzug zur Einfachheit. Das macht sie sehr unkompliziert, fast naiv. In ziemlich einfachen Sätzen erklärt sie ziemlich komplexe Situationen und Strukturen. Und sie erzählt ziemlich viel über sich selbst: Über die Stadtflucht, die Schwierigkeiten ein integrierter Dorfbewohner zu sein und das komplizierte Leben der Bienenvölker. Und über ihr „Doppel“-Leben: Denn sie hat zwei Kinder, zwei Männer (einen Ehemann, einen Liebhaber), zwei Therapeuten (einen Analytiker, eine Analytikerin). Das kommt alles, trotz der damit einhergehenden Brisanz, sehr schlicht und sachlich daher, oft auch ironisch.

„Der Große Garten“ ist „ein herrlich skurriler Roman über die Schwierigkeit, auf dem Land der Fülle des modernen Lebens zu entkommen und in Ruhe sein Gemüse zu ziehen“ (Klappentext).

Der Roman ist wie eine Dokumentation geschrieben. Was sicher nicht verwundert aufgrund der beruflichen Tätigkeit der Autorin. Darüber hinaus ist er in relativ kurze Abschnitte aufgeteilt, deren Überschriften sich in einem Glossar am Ende des Buches wiederfinden. Von A wie Anthroposophie und Apfeltag bis Z wie Zucchini und Zerrissenheit und dazwischen S wie Schnecken, I wie Individualität und L wie Liebhaber. Zusammengefasst sehr unterhaltsam und nebenher auch lehrreich.

Ich gestehe, dass ich im ersten Drittel des Buches nicht genau wusste, ob das alles ernst gemeint ist. „Der Liebhaber wohnt im Haus gegenüber. Also gegenüber ist natürlich die Kirche und der Liebhaber wohnt hinter der Kirche, einem alten Fachwerkhaus, das direkt in der Kurve steht.“ Die knappen und sachlichen Schilderungen beispielsweise über die Fortpflanzung der Pflanzen im Vergleich zu der Fortpflanzung der Menschen (Kapitelüberschrift ‚Triebe‘) kommt eher wie ein Kindertext daher. Aber dann, irgendwann, habe ich mich auf den Schreibstil eingelassen und mich über Nebensätze der Ich-Erzählerin in der Art von „wie friedlich es im Haus ist, wenn ich nicht da bin“ amüsiert oder über „Der Garten ist immer ein Kampf zwischen den eigenen Vorstellungen und äußeren Gegebenheiten“ oder über „Die Irmi hat sofort erkannt, dass der Knecht schwul ist. So was erkennt die Irmi immer. Fenchel muss sie auch noch pflanzen“ geschmunzelt.

„Der Große Garten“ ist erschienen im Matthes & Seitz Verlag. Das abgebildete Buch ist eine Lizenzausgabe für Mitglieder der Büchergilde Gutenberg Verlagsgesellschaft.

Lola Randl, 1980 in München geboren, arbeitet als Drehbuchautorin und Regisseurin für Kino und Fernsehen. Zuletzt entstanden die Fernsehserie Landschwärmer (2014) und der Kinofilm Von Bienen und Blumen (2019). Mit ihrem Roman Der Große Garten war sie für den Deutschen Buchpreis 2019 nominiert. Randl lebt in einem kleinen Ort in der brandenburgischen Uckermark. Foto: Copyright @ MSB_Randl

 

Interview mit Lola Randl im SWR2 

https://www.swr.de/swr2/literatur/lola-randl-neue-dorflust-100.html