Schillernd und magisch sind die Erinnerungen an die Sommerferien bei der Großmutter, geheimnisvoll die Geschichten der Tanten. Katharina Hagena erzählt von den Frauen einer Familie, mischt die Schicksale dreier Generationen. Ein Roman über das Erinnern und das Vergessen – bewegend, herrlich komisch und klug. (Klappentext)

Als Iris zur Beerdigung ihrer Großmutter Bertha reist, erfährt sie bei der Testamentseröffnung, dass diese ihr das Haus vererbt hat. Es ist das Haus, wo sie als Kind viele Jahre ihre Ferien verbracht hat. Mit Roswitha, ihrer Cousine und Mira, einem Kind aus der Nachbarschaft und deren kleinen Bruder Max. Es ist ein Haus voller schöner, lustiger aber auch bitterer Kindheitserinnerungen, die sie lange schon verdrängt hatte.

So ist sie sich auch anfangs ziemlich sicher, dass sie die Erbschaft nicht annehmen wird. Um die Erbangelegenheiten rasch zu regeln, bleibt sie für ein paar Tage in dem kleinen Dorf und verbringt diese in dem Haus von Bertha.

„Das Haus war schon von weitem zu sehen. Der wilde Wein wucherte über die Fassade, und die oberen Fenster waren nichts als viereckige Vertiefungen im dunkelgrünen Dickicht. Die beiden alten Linden reichten bis ans Dach. Als ich die seitliche Hauswand berührte, waren die rauen roten Steine warm unter meiner Hand. Ein Windstoß fuhr durch den Wein, die Linden nickten, das Haus atmete flach.“ 

Beim Durchstreifen der Zimmer wird sie von vergessen geglaubten Erinnerungen eingeholt. Und ganz schnell spürt sie, wie sie mit diesem Haus verwachsen ist. „Der Geruch des Eingangsflurs betäubte mich, es duftete noch immer nach Äpfeln und alten Steinen ….“. Gleichzeitig tauchen aber auch nie gestellte Fragen auf: wer war ihr Großvater tatsächlich, wie war das Beziehungsgeflecht ihrer beiden Tanten und ihrer Mutter, was wollte ihr Roswitha sagen bevor sie in einer Nacht auf dem Dach eines Wintergartens verunglückte. Und während sie versucht, die eine oder andere Frage zu beantworten, deckt sie alte Familiengeheimnisse auf.

„Der Geschmack von Apfelkernen“ von Katharina Hagena ist ein sehr ruhiger und sentimentaler Debütroman. Es geht um das Familiengeflecht dreier Generationen und dabei geht es vorrangig um das Erinnern und das Vergessen. Und das macht die Autorin sehr bewegend und klug.

Die Geschichte selbst lebt von der Detaildichte, einfache Situationen werden kunstvoll und literarisch beschrieben. Dadurch verliert sich der Text manchmal und wird ein wenig langatmig. Auf der anderen Seite jedoch sind die Naturbeschreibungen sehr lebensnah und verführerisch und mithilfe der immer wieder durch Rückblicke eingeschobenen Erinnerungen erfährt die Handlung nach und nach an Spannung. Leseempfehlung für alle Land-Nostalgiker.

Klappentext:

Als Bertha stirbt, erbt Iris das Haus. Nach vielen Jahren steht Iris wieder im alten Haus der Großmutter, wo sie als Kind in den Sommerferien mit ihrer Kusine Verkleiden spielte. Sie streift durch die Zimmer und den Garten, eine aus der Zeit gefallene Welt, in der rote Johannisbeeren über Nacht weiß und als konservierte Tränen eingekocht werden, in der ein Baum gleich zweimal blüht, Dörfer verschwinden und Frauen aus ihren Fingern Funken schütteln.

Doch der Garten ist inzwischen verwildert. Nachdem Bertha vom Apfelbaum gefallen war, wurde sie erst zerstreut, dann vergesslich, und schließlich erkannte sie nichts mehr wieder, nicht einmal ihre drei Töchter. Iris bleibt eine Woche allein im Haus. Sie weiß nicht, ob sie es überhaupt behalten will. Sie schwimmt in einem schwarzen See, bekommt Besuch, küsst den Bruder einer früheren Freundin und streicht eine Wand an. Während sie von Zimmer zu Zimmer läuft, tastet sie sich durch ihre eigenen Erinnerungen und ihr eigenes Vergessen: Was tat ihr Großvater wirklich, bevor er in den Krieg ging? Welche Männer liebten Berthas Töchter? Wer aß seinen Apfel mitsamt den Kernen? Schließlich gelangt Iris zu jener Nacht, in der ihre Kusine Rosmarie den Unfall hatte: Was machte Rosmarie auf dem Dach des Wintergartens? Und wollte sie Iris noch etwas sagen? Iris ahnt, dass es verschiedene Spielarten des Vergessens gibt. Und das Erinnern ist nur eine davon.

„Es duftet nach Sommer, nach Äpfeln und Johannisbeeren. Der Geschmack von Apfelkernen ist süß und zugleich bitter. Es ist ein trauriges, aber tröstliches Buch der Erinnerung“ (Die Zeit)

Die Autorin

Katharina Hagena, geboren 1967 in Karlsruhe, lebt als freie Schriftstellerin mit ihrer Familie in Hamburg. Sie studierte Anglistik und Germanistik in Marburg, London und Freiburg, forschte an der James Joyce-Stiftung in Zürich  und lehrte am Trinity College in Dublin sowie an der Universität in Hamburg. Sie schrieb zwei Bücher über James Joyce, bevor sie 2008 ihren ersten Roman »Der Geschmack von Apfelkernen« veröffentlichte. Das Buch wurde in 26 Sprachen übersetzt und für das Kino verfilmt.

„Der Geschmack von Apfelkernen“ v Katharina Hagena. Erschienen 2008 Verlag Kiepenheuer und Witsch. 255 Seiten.