Wir fahren von der Autobahn ab und sofort breitet sich vor unseren Augen die Hügellandschaft der Vordereifel aus. Grün, wohin man sieht. Und ich denke: „Einfach wundervoll!“

Jedes Mal, wenn wir von einem Abstecher in die Großstadt zurückkommen und die letzten 15 Kilometer zu unserem Landhaus zurücklegen, erfasst mich dieses Gefühl, das ich früher nur von Urlaubsreisen kannte, und ich atme tief durch: Freiheit, Weite, frische, saubere Luft – „Wohnen, wo andere Urlaub machen“, dieser Satz fasst zusammen, was unser neues Leben ausmacht.

Die Straße schlängelt sich durch Fichten- und Mischwald, an kleinen Höfen vorbei, dann wieder kommt Weidelandschaft mit Pferden, kommen Äcker – auch solche mit dem unvermeidlichen Futtermais. Doch weitgehend herrscht hier noch Vielfalt, prägt die industrielle Landwirtschaft mit ihren Monokulturen nicht das Landschaftsbild so dominant wie etwa am Niederrhein.

Seit vier Jahren sind wir nun Bouderather und haben es noch keine Sekunde bereut, die Stadt hinter uns gelassen zu haben. Der Abschied fiel uns nicht schwer: Lärm, Luftverschmutzung, zu viel Beton und zu wenig Grün, zu viele Menschen in einem sich beständig verdichtenden Lebensraum. Wir litten unter „Dichtestress“, um es mit einem Wort zu sagen. Etwa 2015 stand schließlich fest: Wir werden unser Düsseldorfer Haus verkaufen und aufs Land ziehen. 

Unser neues Leben haben wir mit Elan angepackt. Wir fanden ein altes Haus mit großem Grundstück. Das Haus haben wir von Grund auf renoviert und bewirtschaften die angrenzende Wiese. Hier verwirklichen wir das zweite Standbein unseres neuen Lebens: Wir bauen eigenes Obst und Gemüse an und versorgen uns damit selbst.

Bereits in Düsseldorf hatten wir während der letzten Jahre einen 200-Quadratmeter-Schrebergarten. Es war ein kleiner Garten, aber zunächst war diese Größe genau richtig, um erste Erfahrungen zu sammeln. Dieses kleine Stückchen Land hat uns gezeigt, dass es geht, dass man eigenes Gemüse ökologisch ohne Gifte anbauen kann. Es hat uns auch gezeigt, wie Sinn stiftend es für das eigene Leben, für die Gesundheit und nicht zuletzt für die Umwelt und den ökologischen Fußabdruck ist, mit der Natur zu arbeiten.

Zusatzstoffe, Konservierungsstoffe, Pestizide, Herbizide etc.: Von der Ernährung mit konventionellen Lebensmitteln hatten wir uns schon nach der Geburt unserer Tochter 1996 verabschiedet. Doch selbst im Biobereich lief und läuft manches nicht korrekt. Oft hatten wir den Eindruck, dass vielen Herstellern unserer Lebensmittel der eigene Profit wichtiger ist als die Gesundheit der Konsumenten und dass man als Verbraucher diesen Machenschaften hilflos ausgeliefert ist.

Wenn wir aber unsere Lebensmittel so weit wie möglich selbst anbauen, dann wissen wir, was in unserem Essen drin ist. Man nennt es auch Ernährungssouveränität – einen Teil davon haben wir erlangt. Sicher kann Selbstversorgung nie hundertprozentig funktionieren. Doch mit dem, was wir erreichen können, sind wir sehr zufrieden. Bis in den Juni hinein haben wir eigene Lageräpfel, Kartoffeln und Zwiebeln vom Vorjahr. Die Einmachgläser und die Gefriertruhe sind voll mit grünen und dicken Bohnen, sauren Gurken, Zuckerschoten, Mangold, Grünkohl, Rotkohl, Weißkohl, Pflaumen, Birnen, Pfirsichen, Marmeladen und Gelees – Letztere genießen wir eher maßvoll. Hinzu kommen eigene Tomaten und Tomatensauce im Glas, verschiedene Chutneys und andere Gemüsesaucen. Und selbst im Winter kann man über frisches Grün verfügen: Im Garten und im Gewächshaus stehen Grünkohl, Mangold, Wintersalate, im Keller das selbst erzeugte Sauerkraut.

Was noch fehlt, ist das Getreide. Müsli, Nudeln, Brot und andere Getreideerzeugnisse kaufen wir. Hier vertrauen wir auf die Bioverbände, vor allem auf Bioland und Demeter. Unser Fleisch beziehen wir von einem Ziegenhof beziehungsweise von einem Galloway-Rinderzüchter in den Nachbardörfern, beide biozertifiziert. Ab und zu gibt es auch Wild, natürlich aus der Region. Ein wichtiges Anliegen war und ist uns auch der Naturschutz.

Wir haben auf einem Teil unserer Wiese Obstbäume gepflanzt, Wildblumen ausgesät und Hecken angelegt. Einige Stellen überlassen wir komplett der Natur. Gerade im Coronajahr 2020 hat sich für uns sehr deutlich gezeigt, wie richtig es war, der Großstadt den Rücken zu kehren, denn hier auf dem Land in einem kleinen Dorf konnten wir weitgehend ohne Einschränkungen unser Leben so weiterführen wie bisher.

Oft sitzen wir im Sommer nach getaner Arbeit auf der Bank unter unserem Apfelbaum und genießen den wohlverdienten Abend. Und dann sind wir einfach zufrieden und manches Mal richtig glücklich.

 

Dieser Gastbeitrag zum Thema „Die neue Ländlichkeit“ kommt von Vera Hufnagel. Vera hat viele Jahre in Werbeagenturen gearbeitet bevor sie sich in Düsseldorf als Lektorin (www.lektorat-hufnagel.de) selbständig gemacht hat. Vor 4 Jahren haben sie, ihr Mann und ihre Tochter den Schritt gewagt, das Stadthaus und das Stadtleben aufgegeben und um in dem kleinen Dorf Bouderath (mit 260 Einwohner) ihren Lebenstraum „Landleben“ zu verwirklichen.